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1. Kleine Zeitung, 09.01.2025 (S. 53)

Vor dem Sturm auf den Küniglberg

Frage & Antwort. ORF III, FM4 und die Haushaltsabgabe sollenfallen, der „Grundfunk“ kommt: Die medienpolitischen Vorschläge der blauen und türkisen Regierungsverhandler unter der Lupe.

Von Daniel Hadler

1 Was trennt, was eint die Medienpläne von FPÖ und ÖVP?

Antwort:Die Position der ÖVP hat sich zumindest der Relation nach geändert. Agierte man in der türkis-grünen Regierung und den Koalitionsverhandlungen für eine Dreierregierung als Antreiber, den ORF zu beschneiden, kommt diese Rolle nun der FPÖ zu. In der Tonalität unterscheidet sich die Medienpolitik von Türkis und Blau erheblich, inhaltlich gibt es Überschneidungsflächen. Wie weit die ÖVP die FPÖ-Idee eines „Grundfunks“ (FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker) mitträgt, werden die Verhandlungen zeigen. Eine Mini-Reform ist auszuschließen: Vor der Nationalratswahl hatte Herbert Kickl angekündigt, er wolle den ORF „de facto neu gründen“. Im Wahlprogramm der ÖVP klang das eleganter: Es braucht eine ORF-Reform „um diese noch schlanker, bürgernäher und regionaler zu gestalten“. Laut „Standard“ möchte die ÖVP das Zusammenlegen von ORF 1 und ORF III und das Einstellen von FM4.

2 Was passiert mit der Haushaltsabgabe?

Antwort:2024 eingeführt, dürfte eine blau-türkise Regierung die ORF-Finanzierung kippen. Die logische Alternative zum ORF-Beitrag ist die Finanzierung aus dem Budget. Diese hatte in der letzten Regierung – unter bestimmten Bedingungen – auch die grüne Mediensprecherin Eva Blimlingervorgeschlagen. Ein Stolperstein: Die Übernahme der aktuell 700 Millionen Euro aus der ungeliebten Haushaltsabgabe durch das Staatsbudget ist, selbst bei Redimensionierung des ORF, ein schwer zu verkraftender Brocken in Zeiten leerer Staatskassen.

3 Was ist personell zu erwarten?

Antwort: Ein neues ORF-Gesetz erleichtert Personalrochaden erheblich. Der Vertrag von Roland Weißmann, 2021 mit Rückenwind der ÖVP ORF-Chef geworden, ist mit 380.000 Euro dotiert und läuft bis Ende 2027. Ob er dem Rundfunk so lange vorstehen wird, ist fraglich. Eine Schlüsselspielerin könnte ORF III-Geschäftsführerin Kathrin Zierhut-Kunz werden, sie gilt als blaue Kandidatin für die Weißmann-Nachfolge bzw. die Aufnahme in einen mehrköpfigen ORF-Vorstand. ORF-Chef werden wollten bei der letzten Wahl auch Thomas Prantner und Lisa Totzauer. Über Chats mit Heinz-Christian Strache gestolpert ist Matthias Schrom, der seit kurzem bei ServusTV die Redaktion leitet – auch er kennt den Küniglberg bestens und ist gut vernetzt. Eine gewichtigere Rolle dürfte zudem FPÖ-Stiftungsrat Peter Westenthalererhalten.

4 Welche Mittel bleiben dem ORF?

Antwort:Den Begriff „Geiselliste“ verwendete schon Alexander Wrabetz, als er sich 2012 gegen finanzielle Einschränkungen beim ORF wehrte. Ob mit dem Hinweis auf das drohende Ende von Angeboten mit großer Lobby, aber ohne gesetzliche Verankerung, erneut große Reformen verhindert werden können? Auf der Liste stehen u.a. Kultursender ORF III, das Radio Symphonie Orchester oder ORF Sport+. Im Gesetz verankert und dennoch ein wichtiges Faustpfand sind die Landesstudios.

5 Was erwartet die Landesstudios?

Antwort:Zwar richtet sich die Wut der FPÖ in erster Linie gegen den Küniglberg, dennoch müssen die ORF-Dependancen mit Kollateralschäden rechnen. Kommt es zu 200 Millionen Euro Einsparungen beim ORF – es sind kolportierte FPÖ-Pläne – müssten die Landesstudios, die aktuell weit mehr bieten als „Bundesland Heute“ und das Regionalradio, ihre Leistungen massiv einschränken. Das bisherige Angebot an Bundesland-Dokus, regionaler Live-Berichterstattung oder Kulturinitiativen wäre nicht mehr finanzierbar, bestätigt der Kleinen Zeitung eine mit der Sache vertraute Quelle.

6 Was erwartet den privaten Mediensektor?

Antwort: Die FPÖ schießt nicht nur auf den ORF, sondern beschreibt eine Medienlandschaft, die „durch Einseitigkeit und Unausgewogenheit geprägt ist“. Stattdessen plant man die Förderung „alternativer Medienkanäle“. Alternative Medien würden aktuell als „rechtsextrem oder Verschwörungstheoretiker diffamiert“. Die Verleger appellieren an die Verhandler, Maßnahmen zu treffen, um den fragilen Medienstandort zu erhalten. Ein höherer Anteil der Digitalsteuer für Medienförderung ist zu erwarten: Die FPÖ will diese entsprechend der Reichweite verteilen – zur Freude des Boulevards.

Autor: Daniel Hadler